35MM

35MM

Publisher: Sometimes You
Entwicklerstudio: Sergey Noskov
Genre: Adventure
Sub-Genre: Walking Simulator
Art: Midprice
Erscheinungsdatum: 02.03.2022
USK 16

35MM   22.03.2022 von Beef Supreme

35MM – nein, kein verheerendes Geschützkaliber, sondern ein Filmformat für analoge Fotografie. Und der Name des vorliegenden Spiels eines russischen Indie-Entwicklers. Angesiedelt in einer unbequemen Post-Apokalypse lässt sich dieses Produkt als Spaziergang-Simulator einordnen. Vergleichbare Vertreter des Genres wie The Vanishing of Ethan Carter oder Firewatch haben bereits gezeigt, dass laufen erzählerisch fesselnd umgesetzt werden kann. Ob 35MM dies auch gelingt, erfahrt ihr hier.

 

Im Wald hört dich niemand reden

 

Die Geschichte des Spiels startet in einer abgelegenen und heruntergekommenen Hütte irgendwo in einem russischen Wald. Zwei Reisende brechen auf, wohin erfährt man zunächst nicht, genauso wenig, wie man dorthin gekommen ist.


Schnell fallen die ersten Dinge auf: Der eigene Charakter ist unfassbar langsam zu Fuß, dieses Spiel erfordert also Geduld. Man kann zwar rennen, doch die eigene Ausdauer ist begrenzt und es führt auch zu nichts, da man auf seinen Begleiter warten muss, der auch nicht schneller unterwegs ist.


Als nächstes glänzt auch das Ziel durch Abwesenheit. Wohin schleppt man seinen trägen Körper? Was gibt es dort, oder generell zu tun? 35MM erklärt so gut wie nichts. Also schlappt man blind und stumm durch einen zwar einigermaßen hübschen aber leeren Wald und harrt der Dinge die da kommen.


Der Begleiter lässt auch so gut wie nichts raus und so verstreicht viel Zeit in stiller Kontemplation. Hin und wieder stößt man auf verlassene Gebäude, die zum Erkunden einladen, doch wird man schnell enttäuscht, als man merkt, dass alle nur leere und fade Hüllen sind.

 

Was mach‘ ich hier eigentlich?

 

Irgendwann erreicht man ein Dorf, wo eine der wenigen Mechaniken, das Quicktime-Event, eingeführt wird. Ein Bärenangriff muss überstanden werden und dafür muss eine eingeblendete Taste gedrückt werden. Oder gehämmert. Oder gehalten. Wer weiß das schon. Mangels dieser Information wird der erste Versuch zum Glücksspiel. Übersteht man diesen Angriff, schickt uns unser Begleiter zum Wasser holen. Dafür braucht’s einen Eimer. Und der ist irgendwo im Dorf. Und da die Sprachausgabe ausschließlich auf Russisch erfolgt, ist man auf die Untertitel angewiesen. Die deutschen Texte schwanken qualitativ allerdings zwischen Google-Übersetzer und Wörterbuch-Würfeln. Das meiste lässt sich zwar irgendwie zusammenreimen, doch manchmal bleiben die Texte unvollendet und es fehlen Infos, was es jetzt zu tun gibt. Ein Muster, das sich durch das gesamte Spiel zieht.

 

Leere…

 

Ohne auf die weiteren austauschbaren, tristen und leeren Locations einzugehen, das Spiel hangelt sich von unspektakulärem Ort und Ereignis zum nächsten, ohne dem Spieler einen Roten Faden anzubieten. Man läuft halt eine Strecke ab und ackert sich durch offenere Gebiete, weil es das Spiel erwartet, nicht weil es ein belohnendes Erlebnis wäre. Und quasi an jeder Ecke entdeckt man neue technische oder spielerische Unzulänglichkeiten. Hölzerne Charakter-Animationen gesellen sich zu nicht lippensynchroner Sprachausgabe, die von schlecht übersetzten, manchmal auch ganz fehlenden Texten untertitelt werden.

 

Rätseln und ballern

 

Versucht man all das auszublenden und sich nur auf die Reise zu konzentrieren, kann man vereinzelte Lichtblicke entdecken. Wie zum Beispiel eins der wenigen Rätsel in einer U-Bahn-Sektion sind tatsächlich kreativ, wenn auch etwas zu leicht. Leider sind solche Ausbrüche aus dem ewig gleichen Trott zu selten und zu weit auseinander, um für die nervigen Botenquests zu entschädigen.
Gelegentlich werden auch kleinere Actionsequenzen eingestreut, in denen geballert werden darf. Diese bestehen aus rückwärtslaufen und schießen. In dem zähen Grundtempo des Spiels kommt da wenig Aufregung auf und bringen keinen wirklichen Gewinn. Es fühlt sich irgendwie so an, als wäre das ein selbstzweckhaftes Feature, dass eingebaut wurde, nur damit es eben drin ist.

 

Ratlos in Russland

 

Wenn wenigstens die Geschichte entschädigen würde, könnte man über die vielen Probleme leichter hinwegsehen. Doch es gibt kaum Momente, die eine Geschichte erzählen. Läuft man einigermaßen aufmerksam durch die Welt, erfährt man durch herumliegende Zeitungsartikel, dass eine Ebola-artige Krankheit einen Großteil der Menschen ausradiert hat. Die Überlebenden versuchen in einer kargen und kaputten Welt klarzukommen. Das Spiel serviert eine Aneinanderreihung von Sequenzen, die dieses Überleben zeigen soll. Bauernfamilie, die von Banditen überfallen werden, Plünderer, Betrüger, Verräter, klassische Post-Apokalypse-Klischees werden hier bedient, ohne dabei wirklich Immersion zu erzeugen. Man sieht sich das eben als Zuschauer an, doch es entsteht keine Bindung zu den Ereignissen.


Und der Grund der Reise offenbart sich erst ganz zum Schluss, sodass hier nichts zur Handlung geschrieben werden kann, ohne massiv zu spoilern.

 

Von Körnern und Hühnern

 

Atmosphärisch macht 35MM hingegen einiges richtig. Das triste Grau in Grau vermittelt eine Trostlosigkeit, wie sie auch in der Welt vorherrscht. Unterstützt von einem gelungenen, wenn auch zu aufdringlich abgemischten Soundtrack, erfüllt eine wohlige Endzeitstimmung das Spiel. Sogar gewisse Horror-Elemente haben den Weg ins Spiel gefunden und wurden wirkungsvoll umgesetzt. Hier zeigt sich, was möglich gewesen wäre, wenn das Spiel mehr Feinschliff erhalten hätte und spielerisch abwechslungsreicher gestaltet worden wäre.

 

30 Frames of Grey

 

Technisch braucht man auch keine Wunder zu erwarten. Die Grafik erinnert an das Ende der PS2-Ära und reißt heute niemanden mehr vom Hocker. Man sieht dem Spiel seine Indie-Herkunft an, vor allem bei den hölzernen Animationen und den sich auffällig oft wiederholenden Objekten in einer viel zu leeren Welt.


Bei der Playstation-Version des Spiels ist die Bildwiederholrate zudem auf 30 FPS begrenzt. Gepaart mit der leichten Eingabeverzögerung und der schwammigen Steuerung ergibt das eine Herausforderung fürs eigene Nervenkostüm. Die Krone für das nervigste Feature geht hingegen an das grausige Checkpoint-System. Es ist nämlich möglich, zu sterben. Und tut man das, wird man sehr weit zurückgesetzt. Bei der enervierend langsamen Bewegungsgeschwindigkeit des Spiels tut jeder Tod richtig weh. Zu guter Letzt, 35MM bietet ein Kamerafeature. Was fürs Spiel völlig irrelevant ist. Man hat eine Kamera dabei, mit der man den Fotomodus startet. Nicht dass das Spiel erinnerungswürdige Szenen bieten würde, doch auch der Entwickler scheint dieses Feature vergessen zu haben, da es keinen spielerischen Grund gibt, die Kamera zu verwenden. Schade, gerade weil es den Titel des Spiels komplett irrelevant macht.

 

Bildergalerie von 35MM (6 Bilder)



Cover & Bilder © Noskov Sergey © Sometimes You


Das Fazit von: Beef Supreme

Beef Supreme

Wie eingangs erwähnt, es gibt Vertreter des Walking Simulator Genres, die aus wenig viel machen. 35MM gehört nicht dazu. Das Spiel hat so gut wie nichts zu bieten, was das Prädikat „Gut“ verdienen würde. Technisch gespickt mit Unzulänglichkeiten, Problemen und Fehlern kombiniert es spielgewordene Langeweile mit einer belanglosen Story und einem verschenkten Szenario. Die seltenen Lichtblicke in Form von einer teils gelungenen Atmosphäre oder vereinzelt interessanten Ideen können nicht über die mannigfaltigen anderen Baustellen des Spiels hinwegtäuschen. 35MM erklärt nichts, erzählt kaum was und bietet auch nichts fürs Auge.


Die letzten Artikel des Redakteurs:


positiv negativ
  • Teils gelungene Atmosphäre
  • Vielversprechendes Szenario
  • Üble Steuerung
  • Schlecht verteilte Checkpoints
  • Technisch stark veraltet
  • Belanglose Aneinanderreihung von Szenen
  • Zähe Spielgeschwindigkeit
  • Hölzerne Animationen
  • Schlecht / Gar nicht übersetzte Texte
  • Unklare Quicktime Events
  • Fades Gameplay
  • Nutzloses Kamerafeature
  • 30 FPS Lock (PS5)





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