Through the Woods
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BEWERTUNG |
05.11.2016 von Beef SupremeNach erfolgreicher Kickstarter-Kampagne bringen die norwegischen Jungentwickler von Antagonist ihr erstes Spiel an den Start. Through the Woods heißt das gute Stück und will anständigen Psycho-Horror mit einer spannenden Geschichte und einer satten Portion nordischer Mythologie vermengen. Alles Dinge, die mir, zumindest auf dem Papier, derbe reinlaufen. Hat’s denn nun auch so geklappt, wie sich die jungen Recken aus Norwegen vorgestellt haben?
Eine einsame Hütte tief im Wald. Der perfekte Ort, um mal gediegen auszuspannen und die Natur zu genießen. Nicht so die Mutter von Espen. Sie fährt in die Abgeschiedenheit, um zu arbeiten. Dumm nur, dass ihr die Brut an der Backe klebt und tatsächlich bespaßt werden will. Eines schönen, verpennten Nachmittags erwacht die gute Frau und muss feststellen, dass ihr Sohn gerade dabei ist, entführt zu werden. In einem Drachenboot. Also flugs hinterher gepaddelt, durch den Nebel, an einen unbekannten Ort, voll von nordisch anmutenden Bauwerken und Monumenten, gesäumt von einem malerischen Wald. Und bevölkert von Trollen, Draugr und Hexen.
Through the Woods beginnt sehr gemächlich. Gemütlich spaziert man in 3rd-Person-Ansicht durch einen wunderschön gestalteten Wald und genießt die Landschaft und den Sonnenschein. Ab und an erklingt auch ein gelungener Soundtrack, der dann einsetzt, wenn des Spielers Aufmerksamkeit gefordert ist. Leider ist nicht immer ganz klar, wohin man dann blicken muss, um die seltenen, meist schnell vorübergehenden Ereignisse auch zu erfassen. Über weite Strecken passiert nämlich nicht besonders viel und auch vermissen es die Entwickler, die malerische Landschaft mit Leben zu füllen. Keine Waldbewohner und nur sehr wenig NPCs, dies trägt nicht unbedingt dazu bei, den Waldspaziergang spannend zu gestalten. Dafür stolpern einem hin und wieder riesige, hungrige dafür dumme Trolle über den Weg. Das erste Aufeinandertreffen mit den großen Biestern verfehlt auch mit Sicherheit nicht seine Wirkung. Doch schon beim zweiten Mal wird man feststellen, dass sich die Trolle relativ leicht im weitläufigen Wald umgehen lassen. Interessant wird’s erst dann, wenn man sich unbedingt in seine Höhle schleichen will, um seinen eigenen Explorationsdrang zu befriedigen. Denn Anreize dafür, sich ins Gestrüpp zu schlagen bietet das Spiel keine. Das Ziel ist es, seinen Sohn zu finden. Was man auf dem Weg dorthin macht, bleibt einem selbst überlassen. Zwar lassen sich so einige mal besser, mal schlechter versteckte Gegenstände und Schriftstücke finden, die nordische Mythen und Sagen kundtun, einen Bezug zur Hauptgeschichte haben diese Sammelgegenstände aber nicht. Es lohnt sich aber dennoch, die Augen offen zu halten, bringen diese Geschichten zumindest einen kleinen Mehrwert indem sie doch recht interessant gestaltete Geschichten erzählen.
Folgt man jedoch nur der Hauptstory, die rückblendenhaft durch Spracheinspieler der Mutter erzählt werden, bietet Through the Woods zwar eine interessante Geschichte, die sich aber zu langsam aufbaut und sich somit gerade Anfang zu sehr auf seine visuelle Überzeugungsfähigkeit setzt. Der Einstieg hätte etwas straffer gestaltet werden können, gerade weil spielerisch nicht besonders viel geboten wird. Man kann rennen, schleichen, eine Taschenlampe an- und ausschalten und gelegentlich Türen öffnen. Weitere Interaktionen gibt’s nicht. Auch Rätsel finden sich keine und so kommt es, dass man hier im Prinzip einen Walking Simulator spielt. Steht man auf sowas, baut sich eine berührende Geschichte über das Verhältnis zwischen einer ausgebrannten Mutter und ihrem ungewollten Sohn auf, die etwas zu lange braucht, um in die Gänge zu kommen. Doch wo bleibt eigentlich der Horror? Leider auf der Strecke. Bis auf ganz wenige Momente, also eigentlich immer das erste Treffen auf einen der seltenen und wenig bedrohlichen Gegner, sorgt Through the Woods so gut wie nie für erhöhten Puls. Trotz der Wehrlosigkeit entsteht selten eine bedrohliche Stimmung, sodass man dieses Spiel eigentlich nicht so wirklich als Horror kategorisieren kann. Das könnte allerdings auch an meiner eigenen Abgestumpftheit liegen, sodass diese Einschätzung mit Vorsicht zu genießen ist.
Auf technischer Ebene hinterlässt Through the Woods einen sehr zwiespältigen Eindruck. Wie schon angesprochen, die Landschaft geizt nicht mit eindrucksvollen Bildern und Abwechslung. Aber so abwechslungsreich und schön sich die Außenareale gestalten, so öde sind die Innenräume gestaltet. Fast jedes Haus sieht gleich aus und wurde aus immer gleichen Versatzstücken zusammengewürfelt. Des Weiteren können die Charaktermodelle nicht unbedingt durch gelungene Mimik überzeugen. Die Gesichter, sofern man mal eins zu Gesicht bekommt bleiben meist starr und sind weit vom aktuellen Stand der Technik entfernt. Gerade angesichts der emotional gehaltenen Story hätte hier mehr drin sein müssen. Und als ob das noch nicht genug ist, hat Through the Woods mit so einigen Clipping-Fehlern zu kämpfen. Nicht selten kommt es vor, dass man mal durch Steine oder Bäume hindurch läuft oder erhaben über dem Boden schwebt. All das kratzt ordentlich an der eigentlich gelungenen Stimmung. Und um das Paket der Unzulänglichkeiten abzurunden, das Spiel hat mit gelegentlichen Framerate-Einbrüchen zu kämpfen. Zwar lassen sich die Grafikeinstellungen über 4 Voreinstellungen rudimentär beeinflussen, jedoch hätte eine etwas bessere Optimierung nicht geschadet.
Widmen wir uns dem Sound. Und hier kann Through the Woods glänzen wie nur wenige. Die englische Sprachausgabe ist fantastisch und erfasst perfekt die Stimmung und die Emotionen der Mutter. Die beschleunigte Atmung nach einem kurzen Sprint, das Knarzen der versteiften Draugr-Gelenke oder das vibrierende Knurren der Trolle, der Sound weiß zu jeder Zeit zu überzeugen und Atmosphäre aufzubauen. Gleiches gilt für den grandiosen Soundtrack. Moderat eingesetzt, dafür umso stimmiger, wenn sich die melancholischen Töne gemächlich wie der Sonnenaufgang erheben. Großes Lob an die Soundtechniker. Das Fazit von: Beef Supreme
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