Wild

Wild

Originaltitel: Wild
Genre: Drama
Regie: Nicolette Krebitz
Hauptdarsteller: Lilith Stangenberg
Laufzeit: DVD (93 Min)
Label: EuroVideo
FSK 16

Wild   07.11.2020 von Michael Rothe

Wild - Ein deutscher, unkonventioneller, extrem sehenswerter, aber nicht ganz einfacher Film. Es gab zwei Trailer zum Film, der eine machte Lust auf mehr, der andere zeigte alles völlig verspult und hinderte mich eher daran, ins Kino zu gehen. Egal, ein deutscher Film, der nicht nach der üblichen Unterhaltung, sondern nach etwas tiefschürfenderem aussah, ist das Experiment auf jeden Fall wert...


Inhalt

 

Anja (Lilith Stangenbverg) wohnt in der funktionierenden Großstadt, tickt selbst extrem nach deren Rhythmen. Erst als sie einem Wolf gegenübersteht, ändert das bei ihr alles. Sie ist besessen davon, ihn wiederzusehen. Sie schafft es sogar, den Wolf zu fangen und mehrere Tage bei sich in der Wohnung zu halten, bis der Wolf ausbricht und ihr gegenübersteht...

 

Was im Trailer etwas verspult anmutete, ist verteilt auf knapp anderthalb Stunden Laufzeit durchaus gut konsumierbar, wenn man nicht gerade nur auf 0815-hirnfreie Kost aus Hollywood steht.

 

Nicolette Krebitz als Regisseurin präsentiert uns eine nicht ganz glaubwürdige, aber auch keinesfalls gänzlich unrealistische Geschichte vom Ausbruch aus dem Alltag mit einer absolut anbetenswerten Hauptdarstellerin. Lilith Stangenberg schafft es, den Film ganz allein zu tragen. Von ihrer anfänglichen Verunsicherung im Umgang mit anderen Menschen (ihrer Überdrüssigkeit der Gesellschaft Ihrer Kollegen beispielsweise) über das Loslösen von auf der Tagesordnung stehenden Konventionen bis hin zum totalen Entsagen gegenüber der heutigen Gesellschaft nehme ich ihr jedes Detail an Mimik und Gestik ab.

 

Der Film wirbt auf einem Plakat mit den drei Adjektiven radikal, sinnlich und frei. Radikal ist vielleicht etwas zu derb ausgedrückt. Gemessen an den Standards der Gesellschaft jedoch stimmt das durchaus in Bezug auf die Filmidee. Der Film kann das alles jedoch gar nicht so radikal zeigen, wir sehen schließlich nur einen Ausschnitt aus der ganzen Geschichte. Die Hausverwalterin erwähnt zwar den Krach und den Gestank aus der Wohnung, dies jedoch zu erleben, wäre erst wirklich radikal, nicht aber das darauf deuten. Andererseits setzt hier das Kopfkino ein, das evtl. das anstößt, was der Film nicht vermittelt. Es ist aber nicht so, dass man das Gefühl hat, dass die Regisseurin das nicht könnte. Sie gibt nur den Denkanstoß, der Rest liegt am jeweiligen Zuschauer.

 

Sinnlich ist der Film auf jeden Fall. Es gibt ein paar wirklich mehr als außergewöhnliche Szenen in dem Film, aber das ist bei weitem nicht alles. Die Sinnlichkeit des Films beginnt eigentlich mit seiner Hauptdarstellerin Lilith Stangenberg. Vom grauen Mäuschen mausert sie sich zum Tier und obwohl sie überhaupt nicht meinem persönlichen 'Beuteschema' entspricht, schafft sie es, unglaublich viel Sinnlichkeit herüberzubringen, wahrscheinlich einfach, weil sie es extrem gut schafft, die animalische Seite anzudeuten.

 

Frei ist und macht der Film auch irgendwie, weil ich mir schon so lange denke, dass mir viele Facetten der aktuellen gesellschaftlichen Normen stinken und dass man sich gegen Teile davon wehren oder diese einfach ignorieren sollte. Hier ist der Film ein wirklich schönes Plädoyer gegen manche Normen einer kaputten Gesellschaft.

 

Gefilmt wurde dieses kleine, fast etwas zu unscheinbare Meisterwerk in sehr schönen und absolut passenden Bildern. Die sachlichen Fassaden der Hallenser Plattenbau erstrahlen meist in nüchternem und sterilem Blauton, die Szenen zwischen Anja und ihrem Wolf wirken viel freundlicher und haben eine eher gelbliche Tönung.

 

Bildergalerie von Wild (6 Bilder)

Details zur DVD

 

Erschienen ist der Film auf DVD oder als Download verfügbar. Eine VÖ auf Blu-ray gibt es nicht. Der Mehrwert wäre eh eher strittig. Es ist zwar ein Film mit klaren und auch durchaus schönen Bildern, aber ob der Film durch mehr potentielle Schärfe zusätzlich gewinnt, ist fraglich. Als nüchternes Portrait der Entsagung der Großstadt reicht auch eine DVD, bei der das Bild in den Möglichkeiten der DVD ausgereizt wurde. Der Ton ist zwar in 5.1 vorhanden, aber auch hier ist der wirkliche Wert eher schleierhaft. Dadurch, dass es ein deutscher Film ist, wurde auch nichts nachsynchronisiert (vermute ich) und es ist eh kein Film, bei dem es unbedingt nötig ist, Geräusche aus exakten Ecken zu hören, weil es für das Filmerlebnis wichtig wäre. Die Sprachausgabe ist allerdings sehr klar und absolut deutlich zu verstehen.



Cover & Bilder © EuroVideo Medien GmbH. Alle Rechte vorbehalten.


Das Fazit von: Michael Rothe

Michael Rothe

Ich war damals im Kino außerordentlich begeistert, dass es ein deutscher Film schafft, mich derart in seinen Bann zu ziehen und mir derartig aus der Seele zu sprechen. Wild steht und fällt mit seiner Hauptdarstellerin Lilith Stangenberg unter gekonnten Regie von Nicolette Krebitz. Von mir persönlich bekommt der Film eine 10/10, weil er wirklich etwas ganz Besonderes ist. Natürlich spielen hier persönliche Aspekte mit rein und er mag bei vielen anderen nicht mal ansatzweise so gut funktionieren und punkten, weil auch das Thema und die daraus folgenden Ereignisse ziemlich speziell sind und evtl. eigene Schlüsselerlebnisse in diese grobe Richtung das Urteil anders ausfallen lassen. Rein sachlich wurde hier alles mehr als richtiggemacht, was schon mal ein hohe Punktzahl ausmacht. Wenn das noch das passende Gedankenfutter dazu kommt, kann mir diese volle Bewertung niemand krummnehmen.


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