![]() |
Aphasie
|
BEWERTUNG |
11.11.2022 von MarSNach drei bemerkenswerten Kurzfilmen - die über 60 Musikvideos einmal ganz außer Acht gelassen - war es für den deutschen Filmemacher Dominik Balkow ebenso konsequent wie logisch, den nächsten großen Schritt zu wagen. Mit Aphasie präsentiert er nun seinen Spielfilmdebüt, das auf den 56. internationalen Hofer Filmtagen Weltpremiere feierte...
Längst haben sich die Geschwister Cosmo (André Lewski) und Carmen (Sandra Tirre) voneinander entfremdet, und führen ihre eigenen Leben. Ihr seit zehn Jahren spurlos verschwundener Vater zwingt die beiden allerdings dazu, sich noch einmal im früheren Familienanwesen zu treffen. Während die Therapeutin Carmen jedoch hofft, alte Traumata aufzuarbeiten, will Cosmo, der mit seiner Freundin Marie (Hannah Prasse) angereist ist, den Ort seiner Vergangenheit schnellstmöglich wieder verlassen. Als Carmen jedoch Marie eine Paartherapie vorschlägt, nachdem sie offensichtliche Probleme in der Partnerschaft ihres Bruders erkannt hat, willigt Cosmos Freundin ein, noch länger auf dem Anwesen zu bleiben. Während sich zwischen den Dreien immer mehr Spannungen aufbauen, scheint der neue Hausbewohner Heins (Heiko Pinkowski) diese sogar noch weiter anzufeuern...
Apha·sie
/Aphasié/
Substantiv, feminin [die] MEDIZIN Verlust des Sprechvermögens oder Sprachverstehens infolge einer Erkrankung des Sprachzentrums im Gehirn PHILOSOPHIE Enthaltung des Urteils in Bezug auf Dinge, über die nichts Sicheres bekannt ist
So viel zur begrifflichen Definition des Filmtitels, der einen ersten Ausblick auf den Inhalt des Spielfilmdebüts von Dominik Balkow liefert. Balkow konkretisiert im Verlauf seines Langfilmdebüts allerdings nicht die klassische Aphasie per se, sondern überträgt sowohl die Definition des medizinischen Krankheitsbilds, wie auch den philosophischen Aspekt, auf die Allgemeinheit. Macht aus der Aphasie eine Krankheit der Gesellschaft, eine Aphasie, mit der sich jeder identifizieren kann. Die Unfähigkeit, über Probleme, Ängste und Sorgen, aber auch Wünsche und Sehnsüchte zu sprechen. Ebenso thematisiert Aphasie aber auch die Folgen, zu welchen eben dieses in sich zurückgezogene Leben führen kann, die Konsequenzen, die daraus entstehen können, ebenso wie die Schwierigkeiten, die sich dadurch nicht nur für einen persönlich, sondern auch für das Umfeld ergeben können. Gesellschaftliche Aphasie, die es einem leichter macht, über andere zu sprechen, als sich mit sich selbst befassen zu müssen. Die ab einem gewissen Stadium sogar Auslöser dafür ist, andere zu manipulieren und in eine bestimmte Richtung zu lenken, um dadurch von sich selbst abzulenken.
Darüber nachzudenken, ob man selbst überhaupt in der Lage ist, seine Gefühle, Wünsche und Sehnsüchte offen auszusprechen, oder sich ebenfalls bereits ein eigenes Konstrukt aus Unausgesprochenem und Geheimnissen gebaut hat, aus dem ein Entkommen mit der Zeit immer schwieriger zu werden scheint.
Bild- und Tonqualität bleiben auf Grund des uns vorliegenden Presse-Screeners ohne Bewertung. Hervorgehoben werden muss an dieser Stelle jedoch die hervorragende Kameraarbeit von Anne Lindemann, die stets die perfekte Einstellung findet, um das Geschehen auch visuell zu intensivieren, ebenso wie der bemerkenswert atmosphärische, stets großartig abgestimmte Score von René Schostak und Bernd Wendlandt. Cover & Bilder © Cornelsen Films & Dominik Balkow Das Fazit von: MarS
|
|
Kommentare[X]