Igor Levit - No Fear

Igor Levit - No Fear

Originaltitel: Igor Levit - No Fear
Genre: Dokumentation
Regie: Regina Schilling
Hauptdarsteller: Igor Levit
Laufzeit: DVD (119 Min) • BD (119 Min)
Label: Piffl Medien
FSK 0

Igor Levit - No Fear   06.05.2023 von Dan DeMento

Pianist, Aktivist, Social-Media-Größe - Der Musiker Igor Levit ist längst weit über die Grenzen der klassischen Musikszene hinaus bekannt. Dokumentarfilmerin Regina Schilling hat ihn begleitet - durch eine überraschend schwere Zeit in seinem Leben. Daraus wurde schließlich Igor Levit - No Fear, und den haben wir uns für euch angesehen.
 
Inhalt:

2020 ist das Beethoven-Jahr, und Star-Pianist Igor Levit, der gerade alle 32 Sonaten des Komponisten aufgenommen und veröffentlicht hat, bereitet sich auf eine ausgedehnte Tour durch die ganze Welt vor. Doch aus diesem Jahr sollte nicht Beethoven in Erinnerung bleiben, sondern Covid, und auch Igor Levit trifft die Pandemie hart. Die Konzerte werden abgesagt, es folgt der erste Lockdown und plötzlich steht der Künstler ohne Publikum da. Um aus dem tiefen Loch zu entkommen, in das er daraufhin fällt, erfindet er sich kurzerhand neu. Mit Twitter, Instagram und den "Hauskonzerten" - von nun an bringt er täglich klassische Klaviermusik in die Sozialen Medien, und erspielt sich damit nicht nur ein neues Publikum, sondern auch ein ganz neues Lebensgefühl.
 
Bei mir war es Danger Dan, ein Solo mit Klaviermusik extrem erfolgreiches Drittel der Hip-Hop-Band Antilopen Gang, der mich auf Igor Levit aufmerksam machte. Denn ersterer war mit einem Song über die Kunstfreiheit zu Gast bei einer Late-Night-Show eines öffentlich-rechtlichen Spartensenders und wurde von zweiterem auf dem Flügel begleitet. Da sofort klar war, dass Igor Levit für diese Position erheblich überqualifiziert war, musste eine Botschaft dahinter stecken. Das brachte mich auf Igor Levit, sein politisches Engagement und - über diesen ungewöhnlichen Weg - schließlich zu seiner Musik. Das war 2021.
 
Igor Levit - No Fear setzt ein gutes Jahr früher an. Der Pianist hat gerade sämtliche Beethoven-Sonaten auf CD herausgebracht und jetzt steht die dazugehörige Tournee an - seine bisher umfangreichste, 108 Konzerte in der halben Welt. Und wer jetzt die Kombination "2020" und "Konzert" liest, ahnt schon, dass das nicht ganz so gut geklappt hat. Und so mag es bei aller Tragik für Dokumentarfilmerin Regina Schilling ein Glücksfall gewesen sein, in ihrem Film so viel mehr zeigen zu können, als "nur" einen großen Musiker auf einer großen Tour.
 
Und so bietet Igor Levit - No Fear einen so privaten Einblick in das Leben und - melodramatisch ausgedrückt - die Seele des Pianisten, wie es wohl nicht oft geschieht. Denn egal ob beim neu erfundenen "Hochkonzert" für die Online-Follower im Lockdown, auf riesigen Bühnen allein oder mit Orchester oder bei extrem herausfordernden Aufnahmen im Tonstudio - überall macht Igor Levit eine extrem gute Figur. Und Sekunden später darf - oder vielmehr muss - man als Zuschauer Zeuge werden, wie sich seine beinahe animalische Präsenz während des Musizierens verwandelt und er zu einem von Selbstzweifeln zerfressenen Häufchen Elend wird.
 
Denn darauf zielt Igor Levit - No Fear definitiv ab, der Film ist eine Momentaufnahme, er begleitet, sieht zu, aber erklärt nichts. Wir erfahren so gut wie nichts über Levits Biografie, nur wenig mehr über seine Gedanken, im Fokus steht das Jetzt, und natürlich die Musik. Das ist in den meisten Momenten sehr eindringlich und fesselnd, kann teilweise aber auch sehr anstrengend sein.
 
In einer frühen Szene des Films bezeichnet Igor Levit die Musik Beethovens als extrem furchtlos, und es ist sehr offensichtlich, dass nicht nur er selbst versucht, sein Leben nach dieser Maxime zu gestalten, sondern auch der Film geht - ganz seinem Titel entsprechend - diesen Weg mit. So werden so gut wie alle gängigen Konventionen über den Haufen geworden. Es gibt 9-minütige, ungeschnittene Klavierstücke, es gibt so gut wie ausschließlich Handkamera, dafür gibt es so gut wie keine Interviews und noch weniger "Erzählung". Igor Levit - No Fear passiert einfach.
 
Das ist interessant, spannend und sehr unmittelbar, denn auch wenn es - gerade bei den Momenten im Tonstudio - recht musiktheoretisch zur Sache geht und das den ein oder anderen Laien vermutlich überfordert, macht das nichts. Denn Musik ist vor allem eines, nämlich Gefühl. Und davon gibt es in Igor Levit - No Fear jede Menge, positiv wie negativ.
 
Manchmal wünscht man sich aber doch ein wenig konventionelles Dokumentarfilmtum, denn mit knapp zwei Stunden ist Igor Levit - No Fear ein ziemlicher Brocken, und da wird unkommentiertes Geschehen, wackelige Handkamera und viel zufällig wirkendes Material irgendwann recht anstrengend. Trotzdem bleibt der Film ein wunderbares Zeitdokument. Für Fans sowieso, aber auch für Menschen, die noch nie von Igor Levit gehört haben.
 

Bildergalerie von Igor Levit - No Fear (4 Bilder)

Details der Blu-ray:
 
Da Bild und Ton bei Dokumentationen immer stark situationsabhängig sind, darf man hier nicht ganz so strenge Maßstäbe anlegen wie sonst. Trotzdem ist das Bild immer klar, sauber und frei von Störungen und auch der Ton überzeugt durchgehend. Hier merkt man, dass von Anfang bis Ende Menschen am Werk waren, die wussten, was sie tun. Neben den Extras, die unter anderem einen Mitschnitt des Q&A-Teils der Filmpremiere bieten, ist vor allem das umfangreiche Booklet zu erwähnen, das ein Interview mit der Regisseurin enthält und dadurch interessante Hintergrundinfos bietet.


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Das Fazit von: Dan DeMento

Dan DeMento

Igor Levit - No Fear ist mitunter wirklich anstrengend, und zwar ganz bewusst. So wie Levit selbst mit Konventionen bricht, bei seiner Liedauswahl, bei seinen öffentlichen und sozialmedialen Auftritten und seiner Meinungsäußerung, so unkonventionell legt Regina Schilling ihren Dokumentarfilm. Das macht ihn schwierig, teilweise ehrlich gesagt hart an der Grenze zu langweilig, in Vollendung aber unglaublich außergewöhnlich und wertvoll. Definitiv kein Film für "mal eben" oder zum Bügeln, aber wer sich darauf einlässt, wird seine helle Freude daran haben. Über die Geschichte von Igor Levit erfährt man so gut wie nichts, dafür sei eher seine Autobiografie ans Herz gelegt, über den Menschen mit seinen Höhen und Tiefen dafür erfährt man so viel, wie es extrem selten der Fall ist.


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