Die Gilde der fahrenden Händler

Die Gilde der fahrenden Händler

Genre: Erkundung • „Flip&Write“ ohne Write
Autor: Matthew Dunstan, Brett J. Gilbert
Illustrator: Gerralt Landman
Spieleverlag: Alderac Entertainment Group, Skellig Games
Empfohlenes Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: etwa 45 Minuten

Die Gilde der fahrenden Händler   24.06.2025 von 2-PL4Y3R5

Als Gilde der fahrenden Händler entsendet ihr Kundschafter durchs Land. Der Auftrag der Königin: beginnend in der zentralen Hauptstadt, innerhalb von nur 45 Minuten alle Winkel des Königsreichs Tigomé auskundschaften. Dabei gilt es Dörfer zu entdecken, Schätze zu sammeln und Türme zu erkunden. Am Ende habt ihr hoffentlich alles gut kartiert, sodass zukünftige Generationen davon profitieren können. Aber hatten wir das Gefühl von diesem Neuzugang in unserem Brettspielregal profitiert zu haben? Wir verraten es euch.

 

Das Material und die Vorbereitung

 

Die Spieleschachtel hat eine „Standard-Größe“ von ca. 30 x 30 cm bei einer Höhe von 6,5 cm. Eine halb so große Schachtel hätte gereicht, um das Spielmaterial unterzubekommen, dem überfüllten Spieleregal zur Liebe. Nichtdestotrotz: das Material macht optisch einen super Eindruck, wir mögen die Illustrationen in den blassen braun/beigen Farben, was einen starken Wiedererkennungswert hat. Auch die Holzkomponenten fassen sich gut an und sehen gut aus. Darüber hinaus ist sämtliches Material von durchschnittlich guter Qualität. Mehr braucht es aber auch nicht für ein gutes Spiel.

 

 

 

Schauen wir uns die Spielvorbereitung an. Die Gilde der fahrenden Händler kommt mit vier verschiedenen Landkarten, was für Abwechslung zwischen den Partien sorgen soll. Die Spieler einigen sich auf eine Landkarte und nehmen sich dann jeweils eine davon. Zusätzlich erhält jeder Spieler alle Dörfer und Kundschafter in seiner Spielerfarbe; die Kundschafter sind durch kleine Holz-Würfel repräsentiert. Im Spielverlauf breiten sich die Spieler auf der Landkarte ausgehend von der Hauptstadt im Zentrum entlang der Hex-Felder aus, indem Kundschafter platziert werden. Manche Felder auf der Landkarte bringen verschiedene Boni ein: Münzen oder Schätze; und vier Felder am Rand der Karte zeigen Erkundungsfelder mit einem Turm, deren Entdeckung nochmal ordentlich Münzen einbringen. Außerdem gehört jedes Hex-Feld einer von vier verschiedenen Regionen an: Grasland, Wüste, Berge oder Gewässer.

 

Diese vier Regionen kommen auch auf den Erkundungskarten vor. In jedem Spielzug wird eine dieser Karten gezogen und bestimmt dann auf welchen Feldern der Landkarte Kundschafter platziert werden dürfen, wo man sich also genau auf seiner Landkarte ausbreiten darf. Die Erkundungskarten werden zusammen mit der Ärakarte I gemischt und als verdeckter Nachziehstapel bereitgelegt. Daneben kommt das Erkundungstableau, das Platz für die Ärakarten II, III und I/II/III bietet, die später ins Spiel kommen. Das Erkundungstableau dient auch als Ablage für bereits gezogene Erkundungs-Karten im Spielverlauf, sodass man zu jedem Zeitpunkt weiß welche Karten bereits gezogen wurden und welche noch kommen.

 

Neben dem Erkundungskarten-Deck wird der wesentlich größere Stapel mit Erforschungskarten vorbereitet. In jeder Ära, wenn die entsprechende Ärakarte vom Erkundungskartenstapel gezogen wurde, erhalten Spieler eine dieser Erforschungskarten, die eine neue, individuellere Art der Ausbreitung auf der Landkarte erlaubt. Als dritter Stapel werden die Schatzkarten bereitgelegt, von denen Spieler eine erhalten, wenn sie mit ihren Kundschaftern Hex-Felder mit einem Ruinen-Symbol erreichen. Zu jeder Landkarte gehören sechs Zielkarten, von denen drei zufällige für jede Partie gezogen und offen ausgelegt werden. Diese Karten geben bestimmte Ziele vor. Der erste Spieler, der eines dieser Ziele erfüllt, erhält 10 Münzen; alle weiteren Spieler nur noch 5 Münzen. Schließlich werden als Vorrat Handelsposten-Marker, Entdeckungstürme, Schatzmarker und Münzen bereitgelegt. Dann kann es losgehen.

 

Das Spielziel

 

In die Gilde der fahrenden Händler sind die Münzen die Siegpunkte. Münzen sammelt man im Spielverlauf während der Erkundung der Landkarte auf insgesamt sechs verschiedene Arten. Münzfelder geben ein bis zwei Münzen, wenn sie von einem Kundschafter entdeckt werden, wobei man sich diese Münzen sogar in jeder Spielrunde erneut holen kann. Die Erfüllung von Zielkarten gibt bis zu 10 Münzen. Die Entdeckung von Ruinenfeldern lassen euch Schatzkarten ziehen, die unter Umständen direkt Münzen oder unter bestimmten Voraussetzungen Münzen am Spielende geben. Entdeckungstürme an den äußeren Landkarten-Rändern geben 6, 8, 10 oder 14 Münzen, je nachdem ob der erste, zweite, dritte oder vierte Turm entdeckt wurde. Dann gibt es noch Stadtfelder mit Wertigkeiten zwischen 2 und 5. Werden zwei dieser Felder über eine Reihe von Kundschaftern miteinander verbunden, entsteht eine Handelsroute und es gibt Münzen entsprechend des Faktors ihrer Wertigkeiten, z.B. 2 x 4 = 8 Münzen. Und zuletzt werden Dörfer gebaut, sobald alle benachbarten Felder derselben Region mit Kundschaftern besetzt sind. Für jedes Dorf gibt es ein bis vier Münzen, abhängig davon in welcher Ära das Dorf errichtet wurde.

 

Der Spielablauf

 

Der Spielfluss in die Gilde der fahrenden Händler ist sehr simpel, ohne dass es an Spieltiefe mangelt: ein riesiger Pluspunkt in unseren Augen. Eine Partie verläuft über vier Spielrunden, so genannte Ären. In jeder Ära wird der Erkundungskartenstapel komplett abgearbeitet: ein Spielzug beginnt immer mit dem Ziehen einer Karte vom Erkundungskartenstapel. Danach platzieren die Spieler Kundschafter entsprechend der auf der Karte abgebildeten Hex-Felder auf ihrer Landkarte.

Ist in einer Ära ein Erkundungsstapel leer, endet die Ära. Dann werden alle Kundschafter wieder von der Landkarte entfernt; alles andere Spielmaterial, das auf der Landkarte platziert wurde, bleibt, wo es ist. Am Ende der Ära wird auch eine neue Ära-Karte in den Erkundungskartenstapel gemischt. Da es fünf Basis-Erkundungskarten gibt, ergeben sich sechs, sieben, acht bzw. neun Spielerzüge für die Ären 1 bis 4. Die Basis-Erkundungskarten zeigen die folgenden Hex-Felder.

 

  • 1 Berg-Feld
  • 2 Wüsten-Felder
  • 2 Grasland-Felder
  • 2 „?“-Felder
  • 3 Gewässer-Felder

 

Daraus ergibt sich, dass man sich zwar in jeder Ära mindestens einmal entlang einer jeden Region ausbreiten kann, aber eben immer wesentlich ineffizienter über Berge, und wesentlich schneller über Wasser. Nur ein Hex-Feld mit Bergen darf von einem Kundschafter besetzt werden; aber drei Hex-Felder mit Gewässer. Was auch Sinn ergibt: in den Bergen kommt man wesentlich langsamer voran. Was hat es nun mit den Ärakarten auf sich? Jedes Mal, wenn eine Ärakarte zum ersten Mal in einer Partie gezogen wurde, z.B. Ärakarte II in Ära II, zieht jeder Spieler zwei Karten vom Erforschungskartenstapel und sucht sich eine davon aus. Die Erforschungskarten zeigen viele einzigartige und besonders starke Fähigkeiten zur Ausbreitung über die Landkarte, die auch mit Text beschrieben sind. Jede gewählte Erforschungskarte wird neben der eigenen Landkarte platziert und auch jedes Mal ausgeführt, wenn die entsprechende Ärakarte in späteren Ären gezogen wird. In Ära IV gibt es keine neue Erforschungskarte; stattdessen darf man eine beliebige der drei Erforschungskarten ausführen, die man in den Ären I bis III erhalten hat, wenn die Ärakarte I/II/III gezogen wird, die während Ära IV ins Spiel kommt.

 

Beim Platzieren von Kundschaftern gibt es einige wenige Regeln. In Ära I beginnt die Erkundung immer angrenzend zur Hauptstadt in der Mitte der Landkarte. An der Hauptstadt grenzen Hex-Felder aller vier Regionen, sodass eine Ausbreitung unabhängig von der gezogenen Erkundungskarte immer möglich ist. In späteren Zügen müssen Kundschafter immer angrenzend an bereits platzierte Kundschafter oder angrenzend an die Hauptstadt platziert werden. In späteren Ären werden Dörfer sehr wichtig. Dörfer werden immer dann automatisch errichtet, wenn alle benachbarten Hex-Felder derselben Region mit Kundschaftern besetzt sind. Meistens sind das drei bis sechs Felder. Dann darf einer dieser drei bis sechs Kundschafter durch ein Dorf ersetzt werden. Dafür gibt es nicht nur Münzen. Der wesentliche Vorteil ergibt sich daraus, dass Dörfer zwischen den Spielrunden bzw. Ären nicht entfernt werden, sodass man die Erkundung in späteren Ären statt von der Hauptstadt ausgehend, von jedem beliebigen Dorf ausgehend starten kann.

 

Sobald ein Kundschafter auf einem speziellen Feld platziert wird, gibt es sofort eine entsprechende Belohnung. Besonders interessant sind die Entdeckungs- und Ruinenfelder. Unabhängig davon welche Region - vorgegeben durch die gezogene Erkundungskarte – gerade erkundet werden kann: auf Entdeckungsfelder dürfen immer Kundschafter platziert werden. Wobei hier streng genommen gar kein Kundschafter platziert wird. Stattdessen wird ein Turm aus dem Vorrat genommen und platziert. Und man erhält jede Menge Münzen. Für jeden weiteren Turm, den man erkundet, gibt es mehr Münzen als davor und weil die Türme weit auseinander liegen, muss man schauen, dass man sich in jeden Winkel der Landkarte ausbreitet. Ruinenfelder sind durch verschiedene Artworks auf der Landkarte zu erkennen und lassen dich eine Schatzkarte ziehen, wenn sie erkundet werden. Insgesamt gibt es sechs verschiedene Schatzkarten. Fünf davon geben Münzen, teilweise am Spielende für jeden Turm, jedes Dorf in einer bestimmten Region oder für jede Schatzkarte eines bestimmten Typs. Eine der sechs Schatzkarten lässt dich sofort einen Kundschafter auf ein beliebiges Hex-Feld platzieren. Nach dem Plündern eines Ruinenfelds wird ein Schatzmarker darauf platziert, um anzuzeigen, dass dieses Feld nicht erneut geplündert werden darf.

 

Ebenfalls eine wichtige Siegpunktequelle sind die auf der Landkarte abgebildeten Städte. Werden zwei Städte über eine Reihe von Kundschaftern verbunden, bildet man eine Handelsroute. Neben den Münzen entsprechend den multiplizierten Wertigkeiten der Städte, muss ein Handelsposten-Marker auf eine der beiden Städte platziert werden. Dieser zeigt an, dass diese eine Stadt in Zukunft nicht mehr für die Gründung anderer Handelsrouten verwendet werden darf. Mit gutem Timing schafft man es auch drei Städte gleichzeitig miteinander zu verbinden. Dann werden direkt zwei Handelsrouten nacheinander gewertet.

 

Zuletzt sind noch die Zielkarten wichtig, um deren Erfüllung die Spieler konkurrieren. Die Zielkarten sind alle selbsterklärend: man muss als erster Spieler X Dörfer entdecken, X Ruinenfelder am Rand der Landkarte plündern, den ersten Turm erkunden etc. Dafür gibt es 10 Münzen. Alle weiteren Spieler erhalten nur 5 Münzen, wenn sie das Ziel zu einem späteren Zeitpunkt erfüllen. Am Ende der vierten Ära endet die Partie. Der Spieler mit den meisten Münzen gewinnt.

 

 

Bildergalerie von Die Gilde der fahrenden Händler (15 Bilder)

Spielmaterial

 

  • 8 doppelseitige Landkarten (4 Avenia/Aghon, 4 Cnidaria/Kazan)
  • 1 Erkundungstableau
  • 24 Zielkarten (6 pro Landkarte)
  • 16 Entdeckungstürme
  • 13 Dörfer je Spielerfarbe
  • 36 Kundschafter je Spielerfarbe
  • 32 Handelsposten-Marker
  • 75 Münzen
  • 40 Schatz-Marker
  • 16 Kristall-Marker
  • 5 Solo-Ära-Marker
  • 9 Erkundungskarten (5 Basis, 4 Ära)
  • 28 Erforschungskarten
  • 40 Schatzkarten


Cover & Bilder © Cover: Skellig Games GmbH / Bilder im Artikel und Teaserbild: www.sofahelden.de


Das Fazit von: 2-PL4Y3R5

2-PL4Y3R5

Spielspaß: Bei die Gilde der fahrenden Händler handelt es sich um ein Roll & Write. Nur ohne Würfel. Also trifft es Flip&Write eigentlich besser, denn es werden Karten aufgedeckt, statt gewürfelt. Aber es gibt auch keine Stifte. „Write“ ist also auch gelogen. Stattdessen werden Kundschafter, in Form von kleinen Holzwürfeln auf eine Landkarte platziert. Dennoch: es ergibt sich ein ähnliches Spielgefühl wie in typischen Roll&Write Erkundungsspielen, allerdings fühlt es sich viel besser an die vielen kleinen Würfel zu platzieren, als einfach nur Kreuze zu setzen. Darüber hinaus ergibt sich durch diese Spielmechanik die Möglichkeit die Würfel zwischen Spielrunden zu entfernen und das Board so zurückzusetzen. Nur, wenn es gelungen ist Dörfer zu erkunden, Türme zu platzieren oder Schätze zu sammeln, bleiben diese Errungenschaften in späteren Runden erhalten. Und Dörfer stellen auch neue mögliche Startpunkte für Kundschafter dar, sodass man sich später schneller und weiter im Land ausbreiten kann, statt wieder in der zentral gelegenen Hauptstadt zu starten. Die Gilde der fahrenden Händler hat uns sehr viel Spaß gemacht. Besonders gefallen hat uns auch die Spieldynamik, der Fortschritt von Runde zu Runde bzw. Ära zu Ära. In den ersten drei Ären darf sich jeder Spieler aus zwei zufällig gezogenen Erforschungskarten jeweils eine neue Karte aussuchen, die in jeder weiteren Runde einmal gezogen wird. Sie bieten einzigarte und mächtige Erkundungsfähigkeiten, welche dafür sorgen, dass man sich von Runde zu Runde immer weiter und gezielter ausbreiten kann.

 

Balancing/Glücksfaktor: Zu Spielbeginn haben alle Mitspieler dieselben Startbedingungen. Im Laufe der Partie entwickelt sich eine gewisse Asymmetrie durch die erwähnten Erforschungskarten, von denen jeder Spieler unterschiedliche erhält. Neue Erforschungskarten werden direkt ausgeführt und zusätzlich jedes Mal, wenn die entsprechende Ära Karte in späteren Runden gezogen wird. Da diese Karten es erlauben bis zu sechs bestimmte Felder gleichzeitig zu erkunden, boosten sie die Erkundungsmöglichkeiten massiv. Gerade weil diese Karten so spielentscheidend sind, war es immer sehr aufregend, wenn es eine neue Erforschungskarte auszuwählen galt. Obwohl sich eine gewisse Asymmetrie ergibt und die Karten sehr unterschiedlich sein können, sind uns keine Balancing-Probleme aufgefallen. Karten, welche die Erkundung von mehr Feldern ermöglichen, sind entweder weniger flexibel einzusetzen, oder bieten weniger Potential sich geradlinig in eine bestimmte Richtung auszubreiten.

Wie steht es um das Thema Strategie vs. Glück? Auf der Strategie-Ebene gibt es verschiedene Gedanken, die man sich machen sollte: was möchte ich zuerst erreichen? Eine der Zielkarten als erster schaffen? Ein Dorf an eine bestimmte Stelle bauen, um sich in der nächsten Runde einen besseren Startpunkt zu schaffen? In welche Richtung breite ich mich zuerst aus? Und egal wie das Ziel aussehen mag: wie viel Risiko möchte ich eingehen, um dieses Ziel zu erreichen, also wie wahrscheinlich ist es, dass die Erkundungskarten auch in der benötigten Reihenfolge kommen?

Das leitet direkt über auf die Glücks-Ebene: es wird deutlich, dass die Gilde der fahrenden Händler auch etwas Push-Your-Luck beinhaltet. Denn man weiß immer welche Erkundungskarten kommen, aber niemals in welcher Reihenfolge. Und oft wird eine bestimmte Reihenfolge benötigt, wenn man zur Zielerreichung erst Grasland, dann Wasser, dann die Wüste überqueren muss. Eine der Basiskarten mit zwei Fragezeichen-Feldern und Erforschungskarten bieten hier etwas mehr Flexibilität, aber der Schlüssel zum Erfolg ist es, sich seine Chancen gut ausrechnen zu können. Denn erreicht man ein Ziel mal nicht, muss man in der Runde darauf quasi „von vorne“ anfangen.

Und was passiert, wenn Karten kommen, die man zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich gebrauchen kann? Man sollte immer mit solchen nicht-idealen Zügen rechnen. Dann gilt es einen anderen Weg zu starten, sodass man später flexibler ist, vielleicht hat man hier mehr Glück?  Oder ein paar Münzen auf erreichbaren Feldern einzusammeln. Oder Entdeckungsfelder zu erkunden, denn das sind Joker, sodass jede Erkundungskarte genutzt werden kann. Viele dieser Optionen können auch bereits vorausgeplant werden, um nicht komplett „leer“ auszugehen, wenn mal nicht das passende kommt.

Insgesamt ist die Gilde der fahrenden Händler eine interessante Mischung aus Strategie und Push-Your-Luck; und überraschenderweise gingen unsere Partien alle sehr knapp aus. Die ersten beiden Partien zu zweit 143 zu 144 Punkte und zu dritt 117 zu 115 zu 110 Punkte.

 

Komplexität/Regeln: Die Gilde der fahrenden Händler ist ein gehobenes Familienspiel, evtl. ein Kennerspiel im unteren Komplexitätsniveau. Wir sind uns sicher, dass man dieses Spiel auch mit Nicht-Spielern spielen kann, denn die Regeln sind sehr leicht zu verdauen und auch schnell erklärt. Ein klassisches Gateway Spiel also. Entsprechend hat die Regel auch nur 11 Seiten. Spielaufbau und -Ablauf passen auf nur 5,5 Seiten mit vielen Abbildungen. Der Spielfluss lässt sich in ca. fünf Sätzen erklären, dann kann man auch schon direkt losspielen. Hier mal ein Versuch: „Nacheinander werden Erkundungskarten aufgedeckt, die angeben auf welchen Feldern man Kundschafter platzieren darf. Diese müssen angrenzend aneinander platziert werden, wodurch man sich entlang der Landkarte ausbreitet. Ziel ist es Städte, Türme und Ruinenfelder zu erreichen, um Münzen, die Siegpunkte zu verdienen; und Gebiete mit derselben Feldart vollständig abzudecken, um Dörfer zu bauen. Am Ende einer Runde, wenn es keine Erkundungskarten mehr gibt, werden die Kundschafter abgeräumt und die Ausbreitung muss von vorne beginnen, ausgehend von der Hauptstadt oder bereits gebauten Dörfern. Insgesamt gibt es vier Runden und in jeder Runde gibt es auch eine Ärakarte, welche neue, mächtige Erkundungskarten ins Spiel bringen.“ Das schaffen auch Nicht-Spieler, oder? Und dennoch sind die Mechaniken auch für Vielspieler interessant und bieten ausreichend Spieltiefe. Wir waren begeistert, denn eine solche Kombination aus geringer Einstiegshürde und Spieltiefe gibt es nicht häufig.

 

Spielerinteraktion/Spieleranzahl: Auch wenn die Gilde der fahrenden Händler formell kein Roll&Write darstellt, hat es vieles mit Spielen dieses Genres gemein. So verhält es sich auch in Punkto Spielerinteraktion und Spieleranzahl wie in den meisten Roll&Writes. Spielerinteraktion gibt es quasi keine, lediglich die Konkurrenz um die drei ausliegenden Zielkarten wäre hier zu nennen. Wer ein Ziel zuerst erreicht, bekommt doppelt so viele Punkte wie alle folgenden Spieler, die dasselbe Ziel zu einem späteren Zeitpunkt schaffen. Daraus und aus der Tatsache, dass alle Spieler gleichzeitig spielen, also Downtime keine Rolle spielt, ergibt sich, dass das Spielgefühl komplett unabhängig von der Spieleranzahl ist. Im Grunde handelt es sich also um ein Solo-Spiel, das gleichzeitig mit mehreren Spielern gespielt werden kann. Wir finden nicht, dass das schlecht ist und mögen solche Spiele auch sehr gerne; insbesondere auch als Kontrast zu den eher sehr interaktiven Spielen in unserem Regal. Man sollte nur entsprechend Erwartungsmanagement betreiben und wissen, was man bekommt.

 

Spieldauer: Auf der Verpackung steht 45 Minuten. Da alle gleichzeitig spielen, ist die Spieldauer auch nicht abhängig von der Spielerzahl. Man sollte aber bedenken: der langsamste Spieler bestimmt die Spieldauer, und ab und zu kann die Gilde der fahrenden Händler zum overthinking animieren. In welcher Richtung breite ich mich aus? Was kommen denn noch für Karten? Wie wahrscheinlich ist es, dass ich mit Route 1 oder Route 2 ans entsprechende Ziel komme, und welches Ziel bringt mir eigentlich mehr zum jetzigen Zeitpunkt? Analysis Paralysis kann die Spieldauer natürlich in die Länge ziehen, gerade auch, weil die Züge eigentlich innerhalb von Sekunden abgehandelt sind, sollte man wissen, was man will. Wir haben zu zweit satte 80 Minuten für unsere Erstpartie benötigt. Aber auch Folgepartien pendelten sich bei ca. knapp über einer Stunde Spieldauer ein. Das mag aber keine ideale Referenz darstellen, denn wir sprengen erfahrungsgemäß alle Spieldauer-Angaben auf Spieleschachteln.

 

Wiederspielbarkeit: In die Gilde der fahrenden Händler gibt es vier verschiedene Landkarten bzw. Spielpläne mit eigenen Sets an Zielkarten. Verschiedene Landkarten sind wichtig, um für Abwechslung zu sorgen. Aber auch unabhängig davon ist es nicht so, als würde man in jeder Partie immer denselben Weg zur Erkundung einschlagen. Denn der ideale Weg hängt vor allem auch von der Reihenfolge der aufgedeckten Erkundungskarten ab, und wo man seine ersten Dörfer platziert. Außerdem geben die drei von insgesamt sechs zufällig ausgelegten Zielkarten für jede Landkarte teilweise vor in welche Richtung man sich zuerst ausbreiten sollte. So fühlen sich verschiedene Partien, auch mit derselben Landkarte ausreichend unterschiedlich an. Besonders gut gefallen haben uns die 28 einzigartigen Erforschungskarten, von denen jeder Spieler nur drei in jeder Partie verwenden kann, um seine Erkundungen im Spielverlauf zu verbessern. Durch diese Aspekte und zusammen mit der niedrigen Spieldauer, der geringen Einstiegshürde und Komplexität sowie der Flexibilität bei der Spieleranzahl ergibt sich eine TOP Wiederspielbarkeit. Und wer noch mehr Landkarten braucht, für den gibt es die Erweiterung „Im Auftrag der Königin“, welche zwei neue Landkarten mit eigenen Zielkarten mitbringt.


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