Spaceship Earth
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BEWERTUNG |
09.08.2021 von Dan DeMento
Mit Spaceship Earth - nicht zu verwechseln mit dem schlechtesten Travolta-Film aller Zeiten - bringt Koch Films uns eine Dokumentation über eines der größten Experimente der Menschheit - von dem trotzdem kaum jemand gehört hat. Erweitert euer Bewusstsein und findet mit uns zusammen heraus, was es mit der "Biosphere 2" auf sich hat und warum das Thema gerade aktueller ist denn je.
Inhalt:
Im Jahr 1991 betreten acht Wissenschaftler einen Gebäudekomplex in den Wüste Arizonas, der ein von der Außenwelt unabhängiges, sich selbst erhaltendes Ökosystem beinhaltet, inklusive Wüste, Regenwald, Ozean, Pflanzen und Tiere. Entstanden aus der fixen Idee einer Hippie-Kommune und finanziert vom Milliardär Edward Bass sollte die 200 Millionen Dollar teure "Biosphere 2" als Prototyp für die Besiedlung fremder Planeten dienen. Zwei Jahre sollten die Forscher in dem System aushalten, das von den Medien von Anfang an kritisch beobachtet wurde. Doch schon nach kurzer Zeit zeigt sich, dass nicht alle Eventualitäten im Voraus berechnet werden konnten.
Die Tatsache, dass das Projekt "Biosphere 2" von Anfang an medial extrem detailliert begleitet wurde und dass einige Mitglieder der Gruppe - schon zu Zeiten weit vor dem Bau der Biosphäre - begeisterte Hobbyfilmer waren, spielt Matt Wolf, dem Regisseur von Spaceship Earth, sehr in die Karten. Dieses Material, in Kombination mit vielen Interviews der damals Beteiligten, ermöglicht es ihm, eine sehr detaillierte Dokumentation des Experiments zu liefern. So kommen auch Zuschauer, die noch nie etwas von dem Projekt gehört haben, problemlos zu genug Hintergrundwissen.
Die ersten 40 Minuten der zweistündigen Dokumentation drehen sich um die Vorgeschichte der Kommune um den charismatischen Anführer John Allen in den 70er Jahren. Durch die eigenartige Mischung aus Wissenschaft, Kommerz und Theateraufführung wurde seiner Gruppe schon damals ein Sektencharakter unterstellt. Mit dieser Historie waren die Medien auch gleich bei Bekanntwerden der "Biosphere 2" äußerst zwiespältig. Manche Berichterstatter hatten zwar auch 1991 schon den Verdacht, dass der Klimawandel irgendwann ein Problem werden könnte, die meisten bezeichneten das Experiment aber als "Öko-Theateraufführung" und berichteten entsprechend negativ.
Das permanente Aufeinandersitzen, die Isolation und einiger Probleme mit dem Ökosystem zehrten irgendwann auch an den Nerven der acht Forscher, was wiederum ein gefundenes Fressen für die Medien war. So drehte sich die öffentliche Wahrnehmung irgendwann nur noch um die Probleme und Skandale der Gruppe inner- und außerhalb der Biosphäre, statt um das eigentliche Experiment.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch Spaceship Earth. Natürlich geht es auch um die Biosphäre, den wissenschaftlichen Ansatz und die Erklärung der Probleme innerhalb des Systems, trotzdem braucht man keinen Doktortitel, um die Dokumentation interessant zu finden. Denn den eigentlichen Fokus des Films liegt auf dem Anführer John Allen, der seine Gruppe stets autokratisch führte und durch seinen Ansatz, nicht transparent mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren, wesentlich dazu beitrug, dass der eigentliche Ansatz des Experiments komplett unterging.
Denn die Beschäftigung mit dem Klimawandel, der in den 90ern allenfalls für einige Wissenschaftler und fanatische Ökospinner existierte, war revolutionär. Berichtet wurde aber nur über heimlich eingebaute Hilfsmittel, in die Sphäre geschmuggelte Lebensmittel und den Sektencharakter der Gruppe. So verkam die Biosphere 2 von einem wissenschaftlichen Meilenstein zu einer Art frühem Big Brother.
Die Interviews zeigen deutlich, dass die Beteiligten auch 30 Jahre später noch lange nicht mit der Sache im Reinen sind und auch Spaceship Earth findet keine Lösung, sondern fasst das ganze Projekt zielsicher zusammen - mit allen unterschiedlichen Perspektiven. So bleibt es dem Zuschauer überlassen, sich eine eigene Meinung zu bilden - über die Biosphäre, über John Allen und vor allem über die Macht der Medien.
Zusammenfassend ist Spaceship Earth über seine knapp zwei Stunden Laufzeit sehr unterhaltsam und interessant. Natürlich werden nicht alle Fakten erschöpfend beleuchtet, die Dokumentation regt aber dazu an, sich näher mit dem Projekt - und seinen Nachfolgern - zu beschäftigen. Und selbst wer keinerlei wissenschaftliches Interesse hat, für den ist der Film ein interessanter Spiegel der Gesellschaft.
Details der Blu-ray:
Außer den Interviews besteht der Film aus Archivmaterial von TV-Beiträgen, 16mm-Film und Camcorder-Aufnahmen, der Fokus liegt also nicht gerade auf herausragender Bildqualität. Trotzdem ist alles gut aufbereitet und ohne Augenkrebsgefahr gut ansehbar. Der O-Ton ist von guter Qualität, die deutsche Synchronisation überlagert den O-Ton auf aus Dokus gewohnte Art. Das Bonusmaterial ist sehr üppig und bietet einen Audiokommentar, eine weitere Doku und interessantes Archivmaterial.
Cover & Bilder © Koch Films GmbH Das Fazit von: Dan DeMento
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