Disgaea 6 Complete
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BEWERTUNG |
19.07.2022 von TorstenMittlerweile sind es schon sieben Jahre, die Spieler einer PlayStation-Konsole auf einen neuen Teil der abgedrehten Disgaea-Reihe warten mussten. Eine mehr als lange Zeit, die einen Umbruch der Serie bedeuten könnte. Wer jedoch die Titel von NIS America kennt, weiß um den Umstand, dass dort die Uhren etwas anders ticken. Ob nun PS 2, PS 3 oder PS 4, die technischen Unterschiede beschränkten sich größtenteils auf etwas schärfere Texturen und höhere Auflösungen, die nur im direkten Vergleich wirklich ins Gewicht fielen. Der nunmehr siebte Teil der Hauptreihe, der wegen dem zwischenzeitlichen Ableger Disgaea D2 auf Disgaea 6 getauft wurde, bricht dann aber am Ende doch noch mit einer Tradition: Das Spiel und sämtliche Animationen werden erstmals in 3D abgespult. Ein Jahr nach dem Release der Version für die Nintendo Switch gelangt Disgaea 6 nun also auch auf PC, PS 4 und PS 5...
Auch Untote werden wiedergeboren
In vielen Zombie-Filmen werden die Untoten auch umgangssprachlich mit Zeds abgekürzt. Um was für einen Charakter es sich bei dem Protagonisten Zed nun handelt, darf folgerichtig kombiniert werden. Zed, begleitet von seinem Zombie-Hund Cerberus, hat viele Tode gesehen. Immer und immer wieder versucht er dem amtierenden Overlord, den God of Destruction, das Handwerk zu legen. Ein ums andere Mal scheitert er dabei, wird getötet, nur um dann wiedergeboren zu werden. Dank „Super Reincarnation“ wird er dabei jedes Mal ein kleines bisschen stärker. Die Zeit, ein Konstrukt, dass in den unzähligen Netherworlds sowieso nur eine beiläufige Rolle spielt - denn Zeit hat man in der Ewigkeit genug - tickt also durchaus für unseren kleinen Zed. So überrascht es dann bei näherer Betrachtung auch nicht, dass der Untote längst die Fesseln eines eher schwachen Begleit-Charakters gesprengt hat und selbst zu einem machtvollen Anwärter auf den Thron avancierte.
Zed wirkt natürlich wie ein starker Kontrast zu den ganzen machterfüllten Overlords und starken Charakteren der letzten Serienableger. Aber die Reihe lebt seit jeher von dem Kontrast der Charaktere und so gab es schon immer starke Gegenpole. Die Frage wäre hier eher, ob das Duo Zed und Cerberus auch funktioniert. Und, um dem Fazit vorwegzugreifen ist es ein klares Jein. Laharl war ein ebenso „schwacher“ Anwärter. Ein Großmaul, ein verzogenes Kind. Aber er hatte Edna als Gegenpol, die ihn mit frechem Wortwitz immer wieder auf den Boden der Tatsache brachte. Wir hatten in Disgaea 5 den gescheiterten Killia, der allerdings durch Seraphina gepushed wurde. Derartige Schützenhilfe hat Zed nun leider nicht. Und Cerberus ist leider auch kein Fenrich (Disgaea 4) und so versprühen die beiden von Anfang an leider nicht den Charme der vorangegangenen Duos.
Dies macht die hier getestete Complete Edition allerdings mit seinen zusätzlichen Inhalten wieder wett. Alle bislang veröffentlichten DLC sind nämlich mit an Bord und dies beinhaltet den Großteil der Protagonisten vergangener Teile. Mao, Killia und Valvatorez sind ebenso dabei wie meine beiden Favoriten Desco und Fuka.
Charakterentwicklung und der ewige Grind
Fans der Reihe werden sich auch im neuesten Ableger schnell zurechtfinden. Neueinsteiger werden am Anfang noch etwas an die Hand genommen. Erst nach und nach werden sämtliche Funktionen freigeschaltet. Und doch werden es Anfänger schwer haben, sich schnell zurechtzufinden bei all den gebotenen Möglichkeiten, den schier endlosen Zahlenwerten unter dem Charakter-Portfolio und den zahlreichen Aufstiegs- und Optimierungsoptionen. Denn wir leveln nicht nur klassisch die Charaktere durch das Voranschreiten in der Story auf. Im Dimensionsportal sind die einzelnen Missionen von Anfang an in Episoden gegliedert, die sich beliebig oft wiederholen lassen. Der Grind ist hier in späterem Verlauf unerlässlicher Teil des Spiels selbst. Oder wir begeben uns in die Item World, bei der wir uns in zufallsgenerierten Levels in das Innere eines Ausrüstungsgegenstandes begeben, um diesen zu verbessern. Hierbei leveln wir aber natürlich auch unsere Charaktere auf, die in den Abschnitten unzählige Kämpfe bestreiten. Oder wir nutzen Cerberus Fähigkeit der Super Reincarnation, bei der wir im Gegensatz zur „normalen“ Reincarnation des letzten Teils nicht alles auf null zurücksetzen, sondern gewisse Anteile der Erfahrung, wie die Charakterstärken, Evilities oder Skills behalten. In der Juice Bar verstärken wir unsere Charaktere zudem nahezu unbegrenzt, ohne einen einzelnen Kampf zu bestreiten. Der einzige Haken ist der Preis, der für die stärkenden Säfte entrichtet werden soll. Je weiter wir unsere Charaktere verstärken, desto höher ist der Einsatz von Hell, der Währung der Netherworld. Fortgeschrittene leveln noch schneller durch den Einsatz einzelner Parameter im Cheat Shop. Hier darf das Spiel beliebig einfacher oder eben schwerer gestaltet werden. Alles für ein Plus oder Minus an Erfahrungspunkten im Kampf. Es gibt so viele Möglichkeiten, die interessierte Spieler sich unbedingt in den zahlreichen Einsteiger Guides anschauen sollten. Denn anfangs wirkt vieles davon sehr verwirrend.
Auf dem Schlachtfeld geht es taktisch zu
Abgedrehte Charaktere und Comic-Grafik zum Trotz darf man nicht vergessen, dass Disgaea nach wie vor auch ein wahres Schwergewicht eines taktischen RPG ist. Einzelne Attacken, Combo-Attacken, Spezialangriffe - alles lässt sich miteinander verketten, schon um am Ende einen höheren Bonus herauszuschlagen. Aber das Taktieren fängt erst so richtig mit der richtigen Nutzung der Umgebungsumstände an. Geo-Blöcke belegen Zonen mit Attributen und Beschränkungen. Diese lassen sich nutzen, um eigene Angriffe zu verstärken oder feindliche Einheiten vorläufig bewegungsunfähig einzufrieren. Aber in den meisten Fällen ist eher Vorsicht und kluges Kombinieren angesagt, da sich beispielsweise Fernkampfeinheiten mit Geo-Effekten schützen und so zunächst einmal eine Schneise geschlagen werden muss, um an die aus dem Hinterhalt angreifenden Einheiten zu gelangen. Zum einen ließe sich der Block einfach aufnehmen und in eine andere Zone werfen. Oder man zerstört ihn, was die Zone, auf die er liegt, kollabieren lässt. Im besten Fall kombiniert man beides und löst eine gewaltige Kettenreaktion aus, die sämtliche gegnerischen Einheiten schwächt oder gar auslöscht.
Auch im neuesten Ableger der JRPG-Serie ist es wieder möglich, Einheiten Huckepack zu nehmen und je nach Stärke des tragenden Charakters auch eine weitere Strecke zu werfen. Aber Vorsicht, die beliebten pinguinartigen Schergen der Netherworld - die Prinnys - explodieren beim Aufprall. Da ist es tunlichst zu unterlassen, diese zu werfen. Durch das Werfen vergrößert sich nicht nur die eingesetzte Reichweite, es können auch Abgründe oder Höhenunterschiede überwunden werden. Der getragene Charakter kann im Übrigen auch noch einen anderen Charakter tragen. Und dieser kann dann wiederum einen weiteren tragen und so weiter. So lassen sich schwindelerregende Türme generieren und selbst größte Höhenunterschiede überwinden oder gemeinsam einmalig nutzbare Teleportationsfelder gebrauchen. Leider sind Features wie „Monster mount“, bei dem Spieler auf Monstern reiten konnten oder das witzige „magichange“ - hier wird das Monster zur kraftvollen Waffe des Protagonisten - entfallen. Ebenso entschlackt wurde die Anzahl der zur Verfügung stehenden Klassen bei der Charakterwahl.
Dafür wurden Komfortsysteme eingeführt, beziehungsweise verbessert. So gibt es für jeden einzelnen Charakter die Möglichkeit, Auto-Battle zu aktivieren, um nicht selber tätig zu werden. Die KI funktioniert ziemlich gut und macht seinen Job mitunter fast besser als ein menschlicher Spieler. So könnte man im Kampf zum Beispiel die Heiler- und Support-Klassen automatisiert ihre Arbeit verrichten lassen, um sich auf den Kampf zu konzentrieren. Oder aber man lässt die KI selbstständig, auf Wunsch sogar in doppelter Geschwindigkeit, einen Level grinden. Und selbst wenn es mal nicht klappen sollte, nach dem Ableben stehen optional Replay und Retry zur Disposition.
Knallbunte Bonbon-Grafik und J-Pop Sound
Disgaea 6 ist also nun in 3D. Das fällt auf den ersten Blick erst einmal gar nicht auf, zumal die Veröffentlichung des letzten Spiels derart lange her ist, dass der direkte Vergleich aus dem Gedächtnis schwer fällt. Im konkreten Vergleich sind sie eine Aufwertung, wenn auch keine Initialzündung. Bei den Kampfanimationen ist der Unterschied schon um einiges größer und der wird eben nicht jedem gefallen. So wirken die 3D-Modelle kantiger als die gemalten 2D-Leinwände. Die räumliche Abbildung verliert zudem etwas an Charme des bunten Animé-Abbilds.
Beim Soundtrack bedient man sich an allerhand bekannten Klängen. So werden die genutzten Melodien dem einen oder anderen sehr bekannt vorkommen, wurden sie doch schon in den Vorgängern verwendet. Die englische Sprachausgabe ist wieder einmal sehr gelungen und lässt die Versuchung, dem Original zuliebe auf Mandarin umzustellen im Ansatz verpuffen. Die Texte sind im Übrigen nicht regional übersetzt. Wer der abgedrehten Geschichte folgen möchte sollte englische Texte lesen und verstehen können.
Das Spiel wurde auf der Playstation 5 getestet. Etwaige technische Unterschiede zu anderen Versionen wurden nicht berücksichtigt. Cover & Bilder © 2021-2022 Nippon Ichi Software, Inc. ©2021-2022 NIS America, Inc. All rights reserved. Disgaea is a trademark or registered trademark of Nippon Ichi Software, Inc. Das Fazit von: Torsten
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